Portugal hat gewählt

Am 10.03.2024 haben in Portugal vorgezogene Parlamentswahlen stattgefunden. Ihr Ergebnis markiert eine Zäsur für das Land: Portugal war seit dem Ende der Diktatur 1974 stabil und regierbar. Das sei jetzt nicht mehr so, so die These des freien Journalisten António Cascais.

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António Cascais hat die Ergebnisse der Wahl in Portugal im Gespräch mit Bengt Ljung, Direkt News Agency, am 11.03.2024 in der Hessischen Landesvertretung bei einer weiteren Ausgabe der Veranstaltungsreihe „Europa nach den Wahlen“ den mehr als 130 Gästen präsentiert und analysiert.

Cascais hat bereits nach den letzten Parlamentswahlen in Portugal 2022 bei einer Veranstaltung in der Hessischen Landesvertretung prognostiziert, dass die absolute Mehrheit der PS (Partido Socialista) Regierung nicht die ganze Amtszeit bis 2026 halten würde. Diese Einschätzung erwies sich als richtig: Premierminister António Costa ist im November 2023 wegen Korruptionsvorwürfen und möglicher Vetternwirtschaft zurückgetreten. Stärkste Kraft nach der daraufhin vorgezogenen Parlamentswahl am 10.03.2024 ist die konservative Aliança Democrática (AD) mit 79 von 230 Mandaten in der portugiesischen Assembleia da República. Dies reicht aber bei weitem nicht für eine absolute Mehrheit von 116 Sitzen, die bei der Parlamentswahl 2022 von den konkurrierenden PS mit 120 Mandaten erreicht wurde, erläuterte Cascais. 

Portugal hat gewählt
António Cascais präsentiert die Ergebnisse der Parlamentswahlen

Größter Gewinner des Wahlabends ist die von André Ventura geführte rechtspopulistische Chega (Portugiesisch für „Das Reicht“), die ihren Stimmenanteil seit gegenüber 2022 mehr als verdoppelte und ihre Sitze vervierfachte. Ohne Chega wäre eine Regierungsbildung der konservativen Parteien (DA und Iniciativa Liberal- IL) rechnerisch nicht möglich. Jedoch hat DA-Spitzenkandidat Luís Montenegro eine Zusammenarbeit mit Chega sowohl während des Wahlkampfes als auch am Wahlabend abgelehnt. Eine große Koalition von PS und AD ist nach Einschätzung von António Cascais trotz ähnlicher Programme wegen der Angst, politische Parteien am Rande des Spektrums damit zu stärken, in Portugal nicht erwünscht.  Eine von Chega tolerierte DA-Minderheitsregierung sei ebenfalls unwahrscheinlich, da Chega und ihr Parteivorsitzender Ventura einen Anspruch auf Regierungsbeteiligung geltend machen.

Portugal hat gewählt
António Cascais und Bengt Ljung

Chega sei zwar wegen ihrer pro-ukrainischen und pro-europäischen Ausrichtung und Ansichten zu Rechtstaatlichkeit gemäßigter als andere rechtspopulistische Parteien in Europa. Aber es gebe Zweifel bei den etablierten Parteien, ob diese Positionen der Wirklichkeit entsprechen. Cascais äußerte die Einschätzung, Chega habe vor allem einen erfolgreichen Wahlkampf geführt, der die Probleme in der portugiesischen Gesellschaft (Inflation, Jugendarbeitslosigkeit, Wohnungsnot, niedrige Löhne) ansprach und auch gerade bei jungen Wählerinnen und Wählern Zuspruch fand.