Europa nach den Wahlen: „Italien hat gewählt“

Stärkste Kraft sind die „Fratelli d’Italia“, sagte der Herausgeber von Eunews, Lorenzo Robustelli, auf der Veranstaltung „Italien hat gewählt“ am 26. September 2022 in der Hessischen Landesvertretung in Brüssel, zu der Europaministerin Lucia Puttrich eingeladen hatte. Damit verändern sich die Macht- und Mehrheitsverhältnisse in der Abgeordnetenkammer und im Senat.

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Wie erwartet hat das Mitte-rechts Lager um die „Fratelli d’Italia (FdI)“ bei der Parlamentswahl in Italien am 25. September 2022 gewonnen. Giorgia Melonis „FdI“ kamen nach amtlichen Zwischenergebnissen auf rund 26 Prozent bei den Wahlen für das Abgeordnetenhaus und konnten ihren Stimmenanteil im Vergleich zu 2018 etwa versechsfachen. Die Sozialdemokraten (PD) lagen bei 19,1 Prozent der Wählerstimmen. In der Wählergunst deutlich abgerutscht sind die Koalitionspartner der FdI: Die rechtspopulistische Lega mit ihrem Vorsitzenden Matteo Salvini kam nach ersten Hochrechnungen auf nur noch rund neun Prozent (2018: 17,7 Prozent), die EVP-Mitgliedspartei Forza Italia (FI) auf rund acht Prozent (2018: 14 Prozent). Die bisher veröffentlichten Ergebnisse deuten aber übereinstimmend darauf hin, dass die Mitte-Rechts-Allianz sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat klar die meisten Stimmenanteile auf sich vereinen kann und somit die Macht- und Mehrheitsverhältnisse verändern wird, so Robustelli.

Lorenzo Robustelli, Herausgeber EUNews, präsentiert die Wahlergebnisse
Lorenzo Robustelli, Herausgeber EUNews, präsentiert die Wahlergebnisse

Für ihn steht fest, dass Meloni Ministerpräsidentin werden wird, führte Robustelli weiter aus. Er geht nicht davon aus, dass sie sich mit ihrer Forderung, den EU-Aufbauplan für Italien neu zu verhandeln, durchsetzen wird. Realistischer sei, dass sie Einfluss auf den Repower-EU-Plan nehmen werde. Er erwartet von Meloni einen pragmatischen Kurs gegenüber Europa. Sollte sie den ehemaligen Kommissar und ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlamentes Antonio Tajani zum Außenminister machen, wäre das ein klares Zeichen für Kontinuität für Europa. Robustelli erwartet aber auch, dass das Thema Sanktionen gegenüber Russland unter den Regierungsparteien zu Spannungen führen könnte: Meloni sei dafür, gleichzeitig sei Salvini dagegen und bei der FI gebe es unterschiedliche Strömungen. Ein weiterer Konfliktpunkt dürfte das Thema „weitere Schulden“ darstellen, so Robustelli. Denn Salvini habe sich dafür ausgesprochen, während Meloni und Forza dagegen zurückhaltend seien

EU-Korrespondent Dr. Thomas Gutschker hat die Veranstaltung moderiert
EU-Korrespondent Dr. Thomas Gutschker hat die Veranstaltung moderiert

Dr. Thomas Gutschker im Gespräch mit Lorenzo Robustelli

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung antwortete Robustelli auf Fragen des FAZ-Korrespondenten Dr. Thomas Gutschker. Auf dessen Frage, was uns erwartet, ob „der Faschismus zurückkomme“, erklärte Robustelli, die Postfaschisten seien in Melonis Partei nicht tonangebend. Meloni teile die Wertvorstellungen vieler rechter Parteien, sei aber vom Grundsatz her demokratisch. Sie würde aus seiner Sicht nie eine vergleichbare Position zu Viktor Orbán in Ungarn einnehmen. Sie sei sicherlich sehr rechts – aber keine Faschistin. Auf Gutschkers Frage, ob Melonis mittlerweile pro-europäische Rhetorik glaubwürdig sei, antwortete Robustelli, Meloni sei eine pragmatische Frau. Man könne Italien nicht ohne und nicht gegen Brüssel regieren und das wisse sie. Meloni werde sich deshalb Mühe geben, nicht wie Orbán in Europa „zum Paria zu werden“. Gutschker wollte auch wissen, ob durch die neue italienische Regierung der „cordon sanitäre“ im EP, der jegliche Zusammenarbeit mit der ID-Fraktion ausschließt, gefährdet sei. Das sehe er nicht, erklärte Robustelli, denn schon in der Regierung Draghi hätten Lega und FI zusammen am Regierungstisch gesessen – ohne Auswirkungen auf Brüssel. Angesprochen auf das Rechtstaatlichkeitsverfahren gegen Ungarn vermutet Robustelli, dass Meloni zu pragmatisch sei, um sich gleich als Orbán-Freundin einzuführen. Hingegen sei von Meloni eher eine härtere Gangart beim Thema Migration zu erwarten.

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