Europa nach den Wahlen: Griechenland hat gewählt

Trotz des historischen Wahlerfolgs der liberalkonservativen Partei „Nea Dimokratia (ND)“ hat Regierungschef Kyriakos Mitsotakis keine absolute Mehrheit im Parlament: Die griechische EU-Korrespondentin Maria Psara, hat die Wahlergebnisse am 31. Mai in der Hessischen Landesvertretung analysiert.

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Am 21. Mai haben die Griechinnen und Griechen ihr neues Parlament gewählt: Es war ein historisches Wahlergebnis mit über 40 Prozent für Regierungschef Kyriakos Mitsotakis und seine Partei Nea Dimokratia. Alexis Tsipras hat mit seiner linken Partei Syriza gegenüber der letzten Wahl (2019/31,5%) fast 12 Prozent der Stimmen verloren und wurde mit 20,01 Prozent zweitstärkste Kraft. Insgesamt schafften es fünf Parteien ins Parlament - neben den beiden großen Kontrahenten noch die sozialdemokratische Pasok mit 11,5 Prozent, die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) mit 7,2 und die rechtspopulistische Elliniki Lisi (Griechische Lösung) mit 4,5 Prozent. Alle weiteren Parteien scheiterten an der Drei-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag bei 61 Prozent; 2019 waren es 57. Das Votum sei klar, sagte Maria Psara, EU-Korrespondentin für eine der größten Tageszeitungen des Landes, die „Efimerida ton Syntaktion Greece“, sowie für den griechischen TV-Sender „Star Tv“. Die Griechen möchten, dass Kyriakos Mitsotakis seinen Reformkurs für das Land fortsetzt. Sie erklärte weiter, Mitsotakis hat sein Wahlergebnis von 2019 (39,9%) übertroffen und kommt auf 146 der insgesamt 300 Sitze im zukünftigen Parlament. Für eine weitere Alleinregierung würden ihm jedoch fünf Sitze fehlen. Europastaatssekretär Uwe Becker betonte, das unter der Regierung der linken SYRIZA-Partei geänderte Wahlrecht im Jahr 2016 habe für die Wahl vom 21. Mai 2023 eine neue Grundlage geschaffen. Durch eine Wahlrechtsreform, die die Regierung unter Alexis Tsipras im Jahr 2016 beschlossen hatte und die zum ersten Mal bei dieser Wahl zum Tragen kam, wurde das sog. Bonus-Verfahren (50 zusätzliche Sitze zusätzlich für die stärkste Partei) abgeschafft. Die Regierung Mitsotakis hat 2020 das Wahlrecht jedoch wieder geändert, mit dem ein solches Bonus-Verfahren wiedereingeführt wurde. Wahlrechtsänderungen gelten laut griechischer Verfassung aber erst jeweils für die übernächste Wahl. Deshalb hat Mitsotakis direkt nach der Wahl angekündigt, dass er den Auftrag zur Bildung einer Regierungskoalition nicht annehmen wird. Auch die weiteren Parteien lehnten ab. Mitsotakis habe von Beginn an Neuwahlen präferiert, die am 25. Juni 2023 stattfinden werden, sagte Maria Psara. Grund dafür sei, dass bei dieser zweiten Wahl die Wahlrechtsänderungen (erneute Einführung von Bonus-Stimmen, die die Bildung einer absoluten Mehrheit erleichtern) greifen.

Markus Becker, DER SPIEGEL, im Gespräch mit EU-Korrespondentin Maria Psara zu den Auswirkungen der Wahl
Markus Becker, DER SPIEGEL, im Gespräch mit EU-Korrespondentin Maria Psara zu den Auswirkungen der Wahl

Im anschließenden Gespräch mit EU-Korrespondent Markus Becker, DER SPIEGEL, und Moderator der Veranstaltung, wurden mit Blick auf das Ergebnis dieser Wahl mögliche Auswirkungen auf die innenpolitische Situation des Landes und auf die künftige EU-Politik diskutiert. Den Wahlerfolg erklärte die EU-Korrespondentin damit, dass Mitsotakis es verstanden habe, unter anderem die Medien zu nutzen. Auch habe er in der letzten Legislaturperiode die Verhältnisse in Griechenland insgesamt stabilisiert. Aus ihrer Sicht haben viele Bürger das Gefühl, dass es mit Mitsotakis nicht mehr zu derartigen Krisen, wie der Finanz- und Flüchtlingskrise, komme und sich die finanzielle Situation weiter verbessert. Mitsotakis suche diesbezüglich auch weiterhin den Dialog zur EU. Da derzeit in Griechenland relativ stabile Verhältnisse in Sachen Migration herrschen, sei die Flüchtlingsproblematik keiner der Hauptdiskussionspunkte im Wahlkampf gewesen. Vielmehr habe sich der Wahlkampf auf die Bewältigung der Herausforderungen, die unter anderem die hohe Inflation mit sich gebracht hat, fokussiert. Angesprochen auf die Unterschiede hinsichtlich der Wählerstimmen zwischen dem urbanen und ländlichen Raum, erwiderte die EU- Korrespondentin, dass bis auf einen kleinen Bezirk im Norden des Landes Mitsotakis überall in Griechenland Stimmen dazugewonnen habe. Selbst bei den jungen Neuwählern habe Mitsotakis große Stimmenanteile erreicht. Schließlich kam auch das Verhältnis zur Türkei zur Sprache. Maria Psara führte dazu aus, dass nach den Erdbeben in der Türkei Griechenland das erste Land war, das Hilfe schickte. Dies habe zur Verbesserung der griechisch-türkischen Beziehungen beigetragen, die bis dahin eingefroren und eher feindselig waren. Ihrer Meinung nach werden nach den Wahlen beide Seiten versuchen, die Kommunikation wiederaufzunehmen. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern würden aber auch von der innenpolitischen Situation in beiden Ländern abhängen.

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